DEM KLAGEN FOLGT DER JUBEL

Unter der Schirmherrschaft des Spanischen Generalkonsuls Don Luis Gomez de Aranda, mit dem ehrenamtlichen Einsatz vieler Helfer, den komplett ausgebuchten Workshops der spanischen Künstler und nicht zuletzt dem selbstlosen Einsatz hat Mora im fünften Jahr auf finanziell schmaler Basis ein Festival gestemmt, das seines gleichen sucht. Hochkonzentriert verfolgen die rund 500 Flamenco-Kenner und Liebhaber im ausverkauften Theaterhaus jeden Schritt, jede Geste, die Javier Baron, Joaquin Ruiz und Miguel Angel auf leerer Bühne zelebrieren.

Ein nackter Tisch, 5 schlichte Stühle, acht Künstler und die Nacht. Wie eine Knospe sich zum Licht auffaltet, öffnet ein Tänzer seinen Körper. Geerdete Zapateados, schlangenförmige Armbewegungen, Drehungen aus der Mitte des Leibes, abrupte Stopps. Das Schwarzblau des Bühnenhintergrunds wechselt zu Rot, zu Gelb: Javier Baron, Joaquin Ruiz und Miguel Angel eröffnen nun gemeinsam die Fiesta zum A-cappella Gesang der 3 Sänger Carmen Fernandez, David Vazquez und Momi de Cadiz. Es ist die Fusion aus griechisch, römisch, indischen, maurischen und jüdischen Elementen, die den Flamenco so universell macht. Und doch präsentieren an diesem Eröffnungsabend des 5. Stuttgarter Flamenco Festivals drei Künstler aus der Möglichkeit von 50 getanzten Variationen, ihre höchst individuelle Tänzerpersönlichkeit.

„Haben Sie einmal „Don Juan“ gesehen mit ihm?“ flüstert die Sitznachbarin fragend als Miguel Angel zum auf-und abschwellenden Gesang tanzt. Er tanzt die Solea por Buleria, die im Lauf der Zeit sein palo geworden ist. Arme und Hände zeichnen seine Körperformen nach, aus der Ruhe der Bewegung folgt ein eruptiver Ausbruch. Gewollt lasziv schleifen die Füße über den Boden, um im nächsten Takt das Tableau einzustampfen. Pianissimo wechselt zum Forte, dem Klagen folgt der Jubel. Das Barometer der Emotionen wechselt von heiß zu kalt und zurück, lauwarm gibt es nicht. Das Publikum rast, die Damen schmachten, die Herren sind sprachlos ob so viel männlicher Präsenz. Miguel Angel ist ein Verführer, graziös und elegant, der in Catarina Mora`s Choreographie tatsächlich den “Don Juan“ interpretierte.

Mit Javier Baron feiern die Zuschauer einen Charmeur. Die Alegria de Cadiz tanzt er mit strahlendem Lächeln, präsentiert seine Improvisationen mit kickenden Stepps, rafft die Jackenschöße, schwingt sie wie einst der berühmte El Farruco in den 1980er Jahren, läßt die Hände in Arabesken kreisen, nutzt die Diagonale für pointierte Ausfallschritte. Wo Javier Baron- ein Senor 1000 Volt des Flamenco- mit seinem feingliedrigen Körper tanzt, sprüht pure Energie. Sanft schraubt sich Joaquin Ruiz aus der Ruhe in die Seguiriya. Sein Körper- wie eine zum Reißen gespannte Seite. Meist schnörkellos, atemberaubend präzise und zärtlich bis in die Fingerspitzen ist sein Stil, wenn er nicht gerade mit ihnen schnalzt.

Ruiz vertraut seinem Körper, seine Mimik verrät, dass in ihm ein Vulkan der Emotionen schlummert. Der Applaus der Publikums fordert mehrere Zugaben, auch sie ein perfektes Inszeniertes Wechselspiel zwischen Musikern und Tänzern.

Von Brigitte Jähnigen

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